Maßnahmen zur Prävention
Um einen Versorgungsengpass zu vermeiden, können grundsätzlich präventive Maßnahmen für die Reduzierung des Gasverbrauchs, für die ausreichende Speicherbefüllung sowie für die Möglichkeit zur Diversifizierung und den Bezug von anderen Gasquellen ergriffen werden.
Flankierend bzw. korrespondierend wurden durch die Europäische Union mit der Verordnung 2022/1854 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise auch Maßnahmen zur Reduktion des Stromverbrauches angeordnet, welche indirekt (bspw. über Gaskraftwerke) ebenfalls zur Reduktion der Gasnachfrage beitragen.
Pflichten der Gasversorger zu präventiven Maßnahmen
Neben den allgemeinen Verpflichtungen aus dem § 5 Abs 2 GWG 2011 iVm § 4 Abs 1 GWG 2011 müssen Gasversorger weitere Vorgaben zur Sicherung der Versorgung erfüllen.
Einhaltung des Gasversorgungsstandards 2023 für die Belieferung der geschützten Kund:innen in Österreich
Geschützte Kund:innen in Österreich
Gemäß Gas-SoS-VO müssen Versorger geschützter Kund:innen Maßnahmen ergreifen, um die Gasversorgung dieser in jedem der folgenden Fälle zu gewährleisten:
- extreme Temperaturen an sieben aufeinanderfolgenden Tagen mit Spitzenlast, wie sie mit statistischer Wahrscheinlichkeit einmal in 20 Jahren vorkommen;
- eine außergewöhnlich hohe Gasnachfrage über einen Zeitraum von 30 Tagen, wie sie mit statistischer Wahrscheinlichkeit einmal in 20 Jahren auftritt;
- für einen Zeitraum von 30 Tagen bei Ausfall der größten einzelnen Gasinfrastruktur unter durchschnittlichen Winterbedingungen.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 20a sind geschützte Kunden:
- Haushaltskunden, die an ein Erdgasverteilernetz angeschlossen sind,
- grundlegende soziale Dienste, die nicht den Bereichen Bildung und öffentliche Verwaltung angehören und die an ein Erdgasverteilernetz angeschlossen sind,
- Fernwärmeanlagen, in dem Ausmaß, in dem sie Wärme an Haushaltskunden, grundlegende soziale Dienste oder kleine und mittlere Unternehmen liefern und keinen Wechsel auf einen anderen Brennstoff als Gas vornehmen können
Gemäß § 24 E-ControlG ist es die Aufgabe der E-Control, die Einhaltung des § 121 Abs. 5 GWG 2011 zu überwachen. Dieser Paragraf enthält die Verpflichtung eines jeden Versorgers geschützter Kund:innen, den Versorgungsstandard gemäß Art. 6 der Gas-SoS-VO für seine geschützten Kund:innen zu gewährleisten. Diese Erhebung zur Überprüfung der Einhaltung des Versorgungsstandards wird seit 2013 von der E-Control detailliert durchgeführt.
Im März 2023 ist eine gesetzliche Anpassung des § 121 Abs. 5 GWG 2011 vorgenommen worden, in der eine Klarstellung für die Erbringung der Nachweise für den Fall c) erfolgt und der Kreis der geschützten Kund:innen auf Fernwärmekund:innen erweitert worden ist.
Zudem hat die Regulierungsbehörde eine Verordnungskompetenz zur Festlegung von näheren Bestimmungen zur Durchführung der Überprüfung, zu den Erhebungsmodalitäten und zur Art der erforderlichen Nachweise erhalten. Diese Verordnung wurde erstmalig ausgearbeitet, konsultiert und im Mai 2023 erlassen.
Im Zuge der Erhebung ist von Versorgern geschützter Kund:innen offenzulegen, mit welchen Beschaffungs- und Speicherverträgen sie die notwendigen Mengen und Kapazitäten zur Erfüllung des Versorgungsstandards sicherstellen.
Informationen zur Erhebung sind unter Erhebung zum Versorgungsstandard erhältlich.
Recht auf Grundversorgung
Gemäß § 124 GWG 2011 haben Versorger von Haushaltskund:innen ihren allgemeinen Tarif (Basistarif) für diese Kund:innengruppe in geeigneter Weise (zB Internet) zu veröffentlichen und sind verpflichtet, zu ihren geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zu diesem Tarif Haushalte und Kleinunternehmen, die sich ihnen gegenüber auf die Grundversorgung berufen, mit Erdgas zu beliefern (Pflicht zur Grundversorgung).
Die E-Control ist hierbei ermächtigt, mit einer Verordnung nähere Bestimmungen über die Zumutbarkeit einer Grundversorgung und über die Gestaltung der Tarife für Haushalte und Kleinunternehmen festzulegen.
Ersatzversorgung mit Energie
Wird ein für die Versorgung von Kund:innen relevantes Vertragsverhältnis gekündigt (zB zwischen Bilanzierungsstelle und Bilanzgruppenverantwortlichen oder zwischen Bilanzgruppenverantwortlichen und Versorger), so ist dies der Regulierungsbehörde, dem Marktgebietsmanager und den Netzbetreibern mit sofortiger Wirkung mitzuteilen.
Für jedes Netzgebiet der Verteilernetzbetreiber, in dem sich betroffene Kund:innen befinden, hat die E-Control mit Losentscheid zu bestimmen, welchem neuen Versorger diese zuzuordnen sind. Sollte ein Versorger mitteilen, dass er die betroffenen Kund:innen nicht versorgen möchte, ist der Losentscheid zu wiederholen. Nach erfolgreicher Zuweisung sind die betroffenen Kunden vom neuen Versorger über die Übernahme zu informieren.
Maßnahmen zur Speicherbefüllung
Vorgabe von Gasspeicherzielen auf EU-Ebene
Nach der Verordnung (EU) 2022/1032 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2022 zur Änderung der Verordnungen (EU) 2017/1938 und (EG) Nr. 715/2009 im Hinblick auf die Gasspeicherung, waren die 18 Mitgliedstaaten mit unterirdischen Gasspeicheranlagen – also auch Österreich - verpflichtet, bis zum 1. November 2022 80 % ihrer Speicherkapazität zu befüllen – und wurden angehalten, das Ziel von 85 % ihrer Speicherkapazität anzustreben.
Ab 2023 liegt gemäß dieser Verordnung die Zielvorgabe bei 90 % Gasspeicherfüllstand. EU-Mitgliedstaaten ohne eigene Speicheranlagen auf ihrem Hoheitsgebiet müssen 15 % ihres jährlichen Gasverbrauchs in den Anlagen anderer Mitgliedstaaten speichern.
Für Staaten wie Österreich, die im Vergleich zum Inlandsverbrauch über sehr hohe Speicherkapazitäten verfügen, enthält die Verordnung eine Ausnahme, nämlich ein Füllstandsziel von 35 % des jährlichen Gasverbrauchs der letzten fünf Jahre. Österreichs politisch Verantwortliche haben allerdings auch 2023 nicht auf diese Ausnahme zurückgegriffen und die Speicherbefüllung wurde über verschiedene Maßnahmen (u.a. Einführung der Strategischen Gasreserve, Anpassung der Überprüfung zum Gasversorgungsstandard, Immunisierung von Speichermengen von Endkund:innen) beanreizt.
Einführung einer Strategischen Gasreserve
Gemäß § 18a GWG 2011 wurde der Verteilergebietsmanager in 2022 mit der Beschaffung und Verwaltung einer strategischen Gasreserve beauftragt. Zu diesem Zweck wurde vom Verteilergebietsmanager (AGGM) die Tochtergesellschaft Austrian Strategic Gas Storage Management GmbH (ASGM) gegründet.
Zwischen Mai und August 2022 wurden von der ASGM zwei marktbasierte, transparente, nichtdiskriminierende und öffentliche Ausschreibungsverfahren zur Beschaffung der strategischen Gasreserve durchgeführt. Insgesamt konnten dabei 20 TWh Gas lukriert werden, davon 8,5 TWh aus nicht-russischen Quellen. Diese stehen für die Sicherstellung der österreichischen Gasversorgung ab 1. November 2022 zur Verfügung. Das Ziel der österreichischen Bundesregierung wurde damit vollständig erreicht. Die Gesamtkosten der beiden Ausschreibungen belaufen sich auf 3,95 Mrd. EUR. Diese Kosten wurden zur Gänze über den Staatshaushalt gedeckt.
Die Verpflichtung zur Vorhaltung dieser strategischen Reserve ist vom Nationalrat vorerst bis April 2026 verlängert worden[5].
Möglichkeit zur Einspeicherung von „immunisierten“ Gasmengen
Gemäß § 26a Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) wurde für Endkund:innen die Möglichkeit geschaffen, Gasmengen einzuspeichern, die bis zu einem Anteil von 50 % ihres Verbrauchs im vorangegangenen Kalenderjahr von mengenbezogenen, hoheitlichen Maßnahmen ausgenommen sind. Diese Gasmengen können nur im Falle der Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung des technisch sicheren Netzbetriebs und für völkerrechtliche bzw. solidarische Verpflichtungen herangezogen werden, wobei auch dann nur gegen Ersatz des Kaufpreises samt Speicherkosten und Netznutzungsentgelten.
Diese Möglichkeit zur Absicherung bereits eingespeicherter Gasmengen haben auch einige größere Endkund:innen genutzt, sodass derzeit rund 5,28 TWh (Stand 28. Mai 2024) unter diese Regelung fallen.
Maßnahmen in der Infrastruktur
Sicherstellung der Gasnetzqualität - Monitoring der Versorgungszuverlässigkeit der Gasnetze
Die Ausfalls- und Störungsstatistik im Gasbereich setzt sich mit der Zuverlässigkeit der Netze im Detail auseinander. Gemäß § 30 Abs 1 Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) hat die Regulierungsbehörde Standards für Netzbetreiber bezüglich der Sicherheit, Zuverlässigkeit und Qualität der gegenüber den Netzbenutzern und anderen Marktteilnehmern erbrachten Dienstleistungen und Kennzahlen zur Überwachung der Einhaltung der Standards mit Verordnung festzulegen. Auf die Netzbetreiber hingegen fällt entsprechend § 30 Abs 4 GWG 2011 die Pflicht, die in der Verordnung festgelegten Kennzahlen jährlich der Regulierungsbehörde zu übermitteln und zu veröffentlichen.
Die Zuverlässigkeit der Gasnetze zur Versorgung der Endverbraucher:innen wird im Verteilernetz u.a. durch zwei aussagekräftige Indizes ermittelt, die die E-Control anhand einer jährlichen Erhebung bei den Verteilernetzbetreibern berechnet.
Die Kennzahl für die durchschnittliche Dauer ungeplanter Versorgungsunterbrechungen je versorgtem Zählpunkt mit Ursache im Verteilernetz, auch SAIDI genannt, lag basierend auf den von Netzbetreiberseite übermittelten Daten im Jahr 2023 bei 1,44 Minuten. Dies entspricht einer Erhöhung gegenüber dem Jahr 2022 von rund 21 %. Hierzu gilt anzumerken, dass die durchschnittliche Dauer ungeplanter Ausfälle im Gas weit geringer ist als im Strom. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass unterirdisch verbaute Gasleitungen weniger von externen Umwelteinflüssen betroffen sind als Freileitungen im Strom.
Die durchschnittliche Unterbrechungsanzahl je versorgtem Zählpunkt pro Jahr mit Ursache im Gas-Verteilernetz, oder auch SAIFI genannt, lag bei 0,0034 und war somit gleich wie in den Jahren 2020 und 2021.
Aus den Berechnungen der E-Control geht zudem hervor, dass die ungeplante Unterbrechungsdauer in den Wintermonaten deutlich geringer ausfällt als während der Sommerzeit. Dies dürfte vorrangig auf eine höhere Gas-Abhängigkeit der Netzbenutzer in den Wintermonaten zurückzuführen sein, was eine raschere Behebung von Versorgungsunterbrechungen notwendig macht.
Aus- und Umbau der Gasinfrastruktur
Der N-1 Infrastrukturstandard zeigt, dass das österreichische Gasnetz, sowohl auf der Fernleitungs- als auch auf der Verteilernetzebene, bezogen auf die Leistung gut ausgebaut ist. Die geänderten Gasflüsse (weniger Gasmengen aus dem Osten, mehr Gasmengen aus dem Westen und Süden) erfordern aber Anpassungen in der Gasinfrastruktur, um die russischen Gasmengen langfristig zu ersetzen.
Daraus resultiert unter anderem das Projekt „GCA 2022/01 WAG-Loop“ im „Koordinierten Netzentwicklungsplan“ des Marktgebietsmanagers. Dieses Projekt der GAS CONNECT AUSTRIA GmbH ermöglicht zusätzliche Importkapazitäten von bis zu 3,2 GWh/h bzw. rund 28 TWh/a an den Grenzübergabepunkten (Oberkappel und Überackern) zwischen dem österreichischen Marktgebiet Ost und dem deutschen Marktgebiet THE. Das Projekt wurde im Mai 2023 im KNEP genehmigt und befindet sich in der Umsetzung. Es soll im Jahr 2027 in Betrieb gehen. Um dies sicherzustellen hat die E-Control ein monatliches Monitoring eingeführt, in dem die GCA den Fortschritt des Projektes und mögliche Verzögerungen darstellt. Um die Finanzierung zu ermöglichen, wurde im Juni 2024 ein Gesetz[9] erlassen, das vorsieht, dass der österreichische Staat 70 Mio. Euro zur Verfügung stellt.
Zudem gibt es auch in der sogenannten „Langfristigen und integrierten Planung“ des Verteilergebietsmanagers Projekte, die maßgeblich zur Versorgungssicherheit beitragen können. Wie in Kapitel 1.3.3. Speicheranlagen bereits erwähnt, ist hier der Anschluss des Speichers Haidach auf Netzebene 1 im Verteilernetz, mit einer geplanten Einspeisekapazität ins Netz (also eine Ausspeicherung) in Höhe von 600.000 Nm³/h bzw. 6,9 GWh/h[ im Jahr 2024 hervorzuheben. Die Befüllung des Speichers Haidach soll auch zukünftig über Deutschland erfolgen.
Weitere Projekte, die die Versorgungssicherheit Österreichs mit Gas und die Möglichkeiten tendenziell erhöhen, sind zum Beispiel der Ausbau der Gasflusskapazitäten von Italien in Richtung Norden (Projekt “TAG 2016/01 TAG Reverse Flow Weitendorf/Eggendorf“ im KNEP), aber auch die Beseitigung eines Engpasses in der Schieberstation Frankenmarkt durch die Netz Oberösterreich GmbH. Damit wird die mögliche Einspeiseleistung über die Station Zagling, an der der Speicher 7Fields angebunden ist, von 300.000 auf 600.000 Nm³/h verdoppelt (Projekt „2022/20 Erweiterung Schieberstation Frankenmarkt“).
Eine erste Kapazitätserhöhung aus Italien in Richtung Österreich wird es auch bereits ab Oktober 2024 geben. Der italienische Fernleitungsnetzbetreiber Snam S.p.a. ertüchtigt sein Netz und erhöht somit die technisch verfügbaren Kapazitäten in Arnoldstein um ca. 30 % auf das aktuell maximale Importpotenzial auf österreichischer Seite. Die zusätzlichen Kapazitäten (in etwa 23 TWh/a) wurden in der Jahresauktion am 1. Juli 2024 bereits angeboten, aber nicht als Jahresverträge gebucht. Kurzfristig können diese Kapazitäten aber weiterhin gebucht werden.
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