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E-Control und Statistik Austria: Energiearmut - 94.000 Haushalte können es sich nicht leisten, angemessen zu heizen, 115.500 Haushalte durch hohe Energiekosten besonders belastet
Ergebnisse der Studie können aktuelle Diskussion bereichern - Energiearmut hat viele Facetten – Energiearmut breiter definieren
Wien (23. April 2021) – Die Leistbarkeit von Energie nimmt eine immer wichtigere Rolle ein. „Nicht nur in Zeiten von Corona, sondern im täglichen Leben abseits der Pandemie gibt es sogenannte energiearme Haushalte, die entweder über überdurchschnittlich hohe Energiekosten bei niedrigem Haushaltseinkommen verfügen oder nicht die Möglichkeit haben, die Wohnung angemessen zu heizen.“, erläutert der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch. Und er betont: „Die Leistbarkeit von Energie ist für die E-Control ein ganz zentraler Bereich und wir beschäftigen uns seit Jahren mit dem Thema der Energiearmut. Im sogenannten Clean Energy Package der EU, das natürlich auch in Österreich umzusetzen ist, ist vorgesehen, dass Energiearmut definiert und gemessen werden muss, um so Maßnahmen entwickeln zu können, um Energiearmut zu bekämpfen. Wir haben daher als einen weiteren Beitrag zur Diskussion über Energiearmut neuerlich eine Studie zum Thema bei der Statistik Austria in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse jetzt aktuell vorliegen.“
Diese Studie vergleicht erstmalig zwei unterschiedliche Messungen von Energiearmut. Sie greift damit nicht nur die anhaltende Diskussion in Österreich rund um Energiearmut auf, sondern fügt wertvolle Informationen über die betroffenen Haushalte zum Wissensstand hinzu. Die von Energiearmut unterschiedlich betroffenen zwei Bevölkerungsgruppen werden gegenübergestellt, um mehr über die Betroffenen selbst und deren Wohnsituation zu erfahren.
2,4% aller Haushalte können es sich nicht leisten, angemessen zu heizen
Rund 94.000 Haushalte bzw. 2,4% aller Haushalte in Österreich können es sich nicht leisten, die Wohnung angemessen warm zu halten. Das geht aus der oben erwähnten Studie von Statistik Austria auf Basis der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) aus dem Jahr 2019 hervor. Im Jahr 2010 hatte der Anteil noch 3,7% betragen. Die betroffenen Haushalte hatten pro Jahr im Median rund 18.980 Euro Haushaltseinkommen zur Verfügung.
"In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Haushalte, die aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht angemessen heizen können, um ein Drittel gesunken. Dennoch blieb vor der Corona-Krise bei 94.000 Haushalten die Wohnung teilweise kalt. Alleinlebende sowie Haushalte mit Menschen, die über höchstens Pflichtschulabschluss verfügen, waren davon besonders häufig betroffen", so Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.
Kleinere und bildungsferne Haushalte können sich häufiger die Heizkosten nicht leisten
Ein-Personen-Haushalte können sich häufiger angemessenes Heizen nicht leisten, Haushalte mit Kindern dagegen seltener. Überdurchschnittlich betroffen sind zudem Haushalte mit Menschen, die über höchstens Pflichtschulabschluss verfügen. Durchschnittlich konnten es sich 2019 2,4% aller Haushalte nicht leisten, angemessen zu heizen; Haushalte mit Personen, die höchstens einen Pflichtschulabschluss hatten, waren zu 5,9% betroffen. Unter den Ein-Personen-Haushalten lag der Anteil derer, die es sich nicht leisten können, die Wohnung angemessen warm zu halten, bei 4,3%.
115.500 Haushalte mit niedrigem Einkommen sind durch hohe Energiekosten besonders belastet
Zugleich gab es 2018 115.500 Haushalte mit vergleichsweise niedrigem Einkommen, die gleichzeitig überdurchschnittlich hohe Energiekosten zu tragen hatten. Diese Haushalte verfügten über ein äquivalisiertes Haushaltseinkommen von unter 15.437 Euro im Jahr, das sind 60% des Medianeinkommens, und mussten gleichzeitig äquivalisierte Energiekosten von mehr als 1.720 Euro begleichen, was 140% der Medianenergiekosten entspricht. Dabei steigen der absolute Energieverbrauch und dafür anfallende Kosten mit zunehmendem Haushaltseinkommen, während der für Energie ausgegebene Anteil daran immer geringer wird.
Aktuelle Studie liefert erstmals Informationen zur Leistbarkeit
In der aktuellen Studie im Auftrag der E-Control wurden zum dritten Mal sogenannte energiearme Haushalte mit hohen Energiekosten bei niedrigem Haushaltseinkommen analysiert. Bislang wurde dabei ausschließlich auf Haushalte mit relativ geringem Einkommen gemessen am Medianeinkommen und relativ hohen Energiekosten fokussiert. Allerdings sagen relative Einkommensmaße nichts darüber aus, was sich Haushalte leisten können. Zudem wurden bislang die Haushalte nicht berücksichtigt, die von vornherein auf Energie für Wohnen verzichten müssen, und dadurch eher niedrige Energiekosten aufweisen. Daher wurden in Erweiterung zu den beiden Vorgängerberichten im aktuellen Bericht zusätzlich jene Haushalte betrachtet, die in der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2019 angaben, sich eine angemessene Menge von Energie für die Heizung nicht leisten zu können.
Energiearmut hat verschiedene Facetten
Die aktuelle Studie der Statistik Austria hat klar gezeigt, dass Energiearmut zum einen relativ stabil ist. Existierende Maßnahmen gegen Energiearmut zeigen also insofern Wirkung, als dass sich Energiearmut in Österreich nicht ausbreitet. Allerdings wird sie durch die derzeitigen Maßnahmen auch nicht zurückgedrängt.
Die nun vorliegenden Analysen anhand zweier Messungen von Energiearmut zeigen darüber hinaus aber sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zwischen Gruppen von energiearmen Haushalten auf. „Wir vergleichen hier eine Gruppe von Energiearmen, die mit geringem Einkommen hohe Energieausgaben tätigen muss mit einer anderen Gruppe von energiearmen Haushalten, die aussagt dass sie es sich nicht leisten kann, ihre Wohnungen angemessen zu beheizen.“, erläutert der Vorstand der E-Control, Alfons Haber, zu den Inhalten der Studie.
Und weiter: „Wir haben auch gesehen, dass Energiearmut zwar in verschiedenen Formen, aber tendenziell in denselben Bevölkerungsgruppen vorkommt. So sind energiearme Haushalte etwas öfter in niedrigeren Bildungsschichten zu finden. Der Anteil der energiearmen Haushalte in kleinen, 1-Personen Haushalten ist bereits deutlich höher als im Bevölkerungsdurchschnitt.“
Auch betreffend die Wohnsituation gibt es klare Unterschiede zwischen energiearmen und nicht-energiearmen Haushalten in Österreich. So leben energiearme Haushalte generell öfter in älteren Gebäuden, Mehrfamilienhäusern, kleineren Wohnungen und zur Miete.
Energiearmut scheint sich unterschiedlich zu etablieren
Interessanterweise zeigen sich bezüglich der Wohnverhältnisse auch Indizien für Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von energiearmen Haushalten, je nachdem, ob man bei geringem Einkommen hohe Energiekosten tätigt oder eher darauf verzichtet. „Obwohl die derzeitige Datenlage eine Beurteilung nach strengen statistischen Kriterien nicht zulässt, nehmen wir die deutlichen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen als ein starkes Indiz dafür, dass sich Energiearmut auf unterschiedliche Weise in betroffenen Bevölkerungsgruppen bereits etabliert.“, konkretisiert Alfons Haber die neuen Erkenntnisse. So weisen die Ergebnisse etwa darauf hin, dass das Rechtsverhältnis an der Wohnung – also Eigentum oder Miete – entscheidend dafür sein könnte, welche Facette von Energiearmut die Folge ist. Einen etwas geringeren Einfluss könnte die Gebäudeform (Ein/Zwei-Familienhaus oder Mehrparteienhaus) oder die Nutzfläche der Wohnräume haben, ob bei geringem Einkommen dennoch hohe Energiekosten in Kauf genommen werden oder tendenziell weniger geheizt wird.
„Wichtige Schlussfolgerung ist für uns, dass Haushalte in unterschiedlichen Wohnsituationen und geringem Einkommen auch unterschiedlich auf einen hohen Energiebedarf reagieren und damit verschiedene Wege der Energiearmut beschreiten könnten. Das bedeutet auch, dass es mehrere Indikatoren und Maßnahmen braucht, um das Thema zu behandeln.“, regt Alfons Haber weiter an. Und er betont: „Wir als E-Control werden auf jeden Fall auch künftig ein großes Augenmerk auf die Energiearmut und die Leistbarkeit von Energie legen.“ So würde es sich im Zuge der Umsetzung der Vorgaben aus Brüssel als sinnvoll erweisen, Energiearmut breiter zu definieren und damit jene Haushalte zu erfassen, die über ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle verfügen, gleichzeitig aber Schwierigkeiten haben, sich die notwendigen Ausgaben für Haushaltsenergie leisten zu können. „Darüber hinaus plädiert die E-Control auch für eine mehr-dimensionale Erfassung von Energiearmut. Dabei sollten objektive Indikatoren wie entweder sehr hohe oder sehr geringe Energieausgaben mit subjektiven Indikatoren wie in etwa die Nicht-Leistbarkeit des Heizens oder offene Energieschulden miteinander kombiniert werden.“, wünscht sich Alfons Haber.
Befreiung von den Ökostromkosten hilft energiearmen Haushalten
„Information und das Schärfen des Bewusstseins zum Sparen von Energie kann ein Schritt dazu sein, energiearmen Haushalten zu helfen. Maßgeblich ist hier aber vor allem die Information über die Möglichkeit, sich von den Ökostromkosten befreien zu lassen. Einkommensschwache Haushlte, die Anspruch auf die Befreiung von den ORF-GIS-Gebühren haben, können mit dem Antrag auf Gebührenbefreiung gleichzeitig eine vollständige Befreiung von den Ökostromkosten beantragen. Das wird nach wie vor nicht von allen Betroffenen genutzt. Wir appellieren aber an einkommensschwache Haushalte, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Die E-Control steht hier gerne mit Informationen zur Verfügung.“, so Wolfgang Urbantschitsch abschließend.
Detaillierte Ergebnisse bzw. weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Statistik Austria sowie in der Studie "Erweiterte Betrachtung der Energiearmut in Österreich".
Studie zum Downloaden auf der Homepage der E-Control.