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Taskforce Strom & Gas: Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten 2022 zum Erliegen gekommen
Der funktionierende und effektive Wettbewerb auf den Energiemärkten, der seit der Liberalisierung sehr gut funktioniert hat, ist im vergangenen Jahr völlig ins Wanken geraten. Unter anderem haben die zum Teil großen Preisunterschiede zwischen Alt- und Neukundenverträgen und das unterschiedliche Angebotsverhalten vieler Lieferanten dazu geführt, dass es bei den Konsument:innen zu einer großen Verunsicherung und in Folge zu einem massiven Anstieg der Anfragen und Beschwerden bei uns und bei der BWB gekommen ist. Vor diesem Hintergrund haben wir im Jänner dieses Jahres gemeinsam eine Taskforce zur Untersuchung der Situation auf den Strom- und Gasmärkten ins Leben zu rufen. Der erste Bericht der Taskforce zeigt sehr auffällige Ergebnisse.
Teilweiser Anstieg der Marktkonzentration am Strommarkt
Bei der Darstellung des Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI), der eine ökonomische Maßzahl für die Konzentration auf einem Markt darstellt, in den neun Bundesländern, zeigt sich bei den Netzen in den Bundesländern Niederösterreich, Burgenland, Salzburg, Tirol und Vorarlberg ein deutlicher Anstieg der Marktkonzentration von 2021 auf 2022.
Wechselzahlen deutlich zurück gegangen
Der Wettbewerb auf den heimischen Strom- und Gasmärkten ist im Jahr 2022 quasi zum Erliegen gekommen. Das zeigt sich aufgrund der deutlich zurückgegangenen Wechselraten und vor allem auch an der angebotenen Produktvielfalt. Ein Anbieterwechsel hat sich im letzten Jahr nahezu nirgendwo rentiert. Das schlug sich in verringerten Wechselzahlen nieder. Diese lagen 2022 bei 2,2% bei Strom und bei 4% bei Gas. Knapp 23% der Wechsel von Strom- und knapp 17% der Wechsel von Gashaushalten konnten davon auf Marktaustritte zurückgeführt werden. Im Jahr 2021 lag die Wechselrate bei Strom noch bei 4,2 Prozent und bei Gas bei 5,6 Prozent.
Kaum Wettbewerb, kaum Angebote
Das Fehlen eines funktionierenden Wettbewerbs am Markt, hat sich im Jahr 2022 durch einen Rückgang der Produktangebote einerseits und den Rückzug etlicher Lieferanten aus dem Neukund:innenmarkt andererseits gezeigt. Damit einher ging natürlich, dass von diesen Lieferanten auch keine Angebote mehr verfügbar waren. Einzelne Unternehmen haben den Markt gänzlich verlassen.
Extreme Unterschiede zwischen Neu- und Bestandskund:innen
Fehlender Wettbewerb bringt in vielerlei Hinsicht Nachteile für Konsument:innen. Dazu zählt unter anderem, dass sinkende Preise am Großhandelsmarkt nicht in vollem Umfang und nur zeitverzögert an die Endkund:innen weitergegeben werden. 2022 kam es preislich zu extremen Spreizungen zwischen Neukund:innen einerseits und (langjährigen) Bestandskund:innen andererseits.
In vielen Fällen ist es zu einer – für die Kund:innen willkürlich anmutenden – Ungleichbehandlung gekommen. Unter anderem wurde nach Regionen, Kundengruppen oder eben nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unterschieden.
Kund:innen wurden diskriminiert
Zudem ist es bei manchen Lieferanten zu einer Diskriminierung von Kund:innen gekommen ist. So wurde eine diskriminierende Behandlung nach regionalen Aspekten sowie nach Kund:innengruppen festgestellt. Angestammte Unternehmen zogen sich auf ihre Netzgebiete zurück, in denen sie eine starke Marktstellung einnehmen. Gleichzeitig kam es etwa auch dazu, dass für „netzfremde“ Kund:innen die Preise stark angehoben wurden, mitunter nach zuvor erfolgten Kündigungen. Kund:innen in den „eigenen Netzen“ erhielten hingegen nach wie vor relativ günstige Preise.
Stromkostenzuschuss bedingt Preiserhöhung?
Bei den preislichen Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Stromkostenzuschuss ist aufgefallen, dass es bei einzelnen Lieferanten eine zeitliche Nähe zwischen dem Bekanntwerden bzw. In-Kraft-Treten des Stromkostenzuschusses und den jeweiligen Preiserhöhungen gegeben hat. Die Anpassung der Neukund:innenpreise als Folge der Großhandelspreissenkungen erfolgte bei Strom im Vergleich zu Gas zeitverzögert - selbst bei den besten Angeboten. Ein weiteres Untersuchungsergebnis ist, dass die Preise für Neukund:innen bei vielen angestammten Lieferanten weiterhin nicht marktgerecht gestaltet sind.
Rechtsunsicherheit bei Preisanpassungen problematisch
In der Vergangenheit haben Lieferanten häufig aus Gründen rechtlicher Unsicherheit ihre Preise an Indizes gekoppelt. Vor allem der ÖSPI und der ÖGPI sind hier zur Anwendung gekommen. Wo eine Indexbindung für die Preisanpassung verwendet wurde, könnte dies zu überdurchschnittlichen Steigerungen bei Lieferantenmargen geführt haben. Meistens wurde nämlich auch die Marge an den Index gebunden. Dies ist ein weiterer Punkt, der durch die Taskforce noch detaillierter behandelt werden wird. Als problematisch hat sich jedenfalls die Rechtsunsicherheit in diesem Bereich herausgestellt. Auch für Unternehmen war nicht immer klar, wie rechtlich korrekt Preisänderungen durchgeführt werden konnten.
Fehlende Transparenz führt zu Verunsicherung
Es braucht mehr Transparenz, damit die Konsument:innen sich auf den Strom- und Gasmärkten wieder besser zurechtfinden! Es ist wichtig, dass Energieunternehmen ihre Kund:innenkommunikation auf allen Ebenen verbessern, vor allem auch, indem sie diese mit Hilfe digitaler Lösungen individualisieren und so Kund:innen bedarfsgerecht ansprechen.
Taskforce arbeitet weiter: Ermittlungen werden vertieft, Kontrollen verschärft
Die Arbeit der Taskforce ist noch bei Weitem nicht abgeschlossen und deshalb wurden am 26. Juni 2023 durch die BWB (in Kooperation mit uns) im Rahmen der Branchenuntersuchung gem § 2 Abs 1 Z 3 WettbG bereits verpflichtende Auskunftsverlangen an die Vertriebsgesellschaften der Landesenergieversorger, größere Stadtwerke und an die Verbund AG versendet. Diese Unternehmen decken rund 80% des österreichischen Strommarktes ab.
Der erste Bericht der Taskforce mit allen Details ist auf unserer Homepage veröffentlicht: https://www.e-control.at/publikationen/untersuchungen