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Großhandelsmärkte: Beispiellose Preisrallye bei Strom- und Gas im Sommer
Großhandelspreise Strom
In den letzten Monaten ereignete sich eine bespiellose Preisrallye im österreichischen Stromgroßhandel. Die durchschnittlichen Spotpreise im Rahmen des Day-Ahead-Marktes stiegen von 185 EUR/MWh im Mai auf 494 EUR/MWh im August (entspricht einem Anstieg von knapp 170%). Hauptverantwortlich für diese Entwicklung war die persistente Kopplung von Strom- und Gaspreisen, die im diesjährigen Sommer durch erzeugungsseitige Sonderfaktoren ungewöhnlich stark ausgeprägt war. In diesem Zusammenhang sind vor allem die besondere Wasserknappheit in Europa und erhebliche Nichtverfügbarkeiten von französischen Atomkraftanlagen zu nennen. Um die resultierende Angebotsknappheit kostengünstiger Erzeugungsanlagen ausgleichen zu können, kam es im europäischen Marktgefüge zu Verwerfungen der sonst üblichen grenzüberschreitenden Handelsmuster (u.a. hohe Importtätigkeit Österreichs) und zu einem deutlich erhöhten Einsatz thermischer Kraftwerke in den Sommermonaten. Durchgängig hohe Preise im Stromgroßhandel waren die Folge. Aktuell weisen die Strompreise im Spotmarkt jedoch wieder rückläufige Tendenzen auf, welche vor allem auf analoge Preisrückgänge für Gas und CO2-Zertifikate zurückzuführen sind.
Die Entwicklungen auf den Terminmärkten spiegeln die preislichen Ausschläge am Spotmarkt. Kontrakte für den bevorstehenden Winter rangieren derzeit im Preisband zwischen 550 EUR/MWh und 700 EUR/MWh. Der Base-Kontrakt für das Gesamtjahr 2023 (Year-Ahead) wird bei über 500 EUR/MWh gehandelt. Deutliche Preisreduktionen sind erst für Stromlieferungen ab dem Jahr 2024 ersichtlich – längerfristige Abschlüsse sind jedoch aufgrund der äußerst geringen Liquidität kaum aussagekräftig.
In den folgenden Grafiken werden jeweils die relevanten österreichischen Börsenpreise für Strom und Gas in aggregierter Form dargestellt [1].
Abb. 1: Großhandelspreise Strom; Quellen: Day-Ahead Marktkopplungsauktion (EPEX Spot, EXAA, NordPool), Phelix-Futures (EEX); eigene Berechnung
Großhandelspreise Gas
Der europäische Gasgroßhandelsmarkt wurde im Sommer 2022 durch knappes Angebot und die Unsicherheit über den Fortbestand der Gaslieferungen aus Russland geprägt. Das eingepreiste Risiko hat in Zeiten von geplanten Wartungsarbeiten und unerwarteten Ausfällen zu neuen Rekordpreisen geführt. Im Fokus stand dabei die Ostseeleitung Nord Stream 1, durch welche nunmehr kein Gas mehr nach Europa geliefert wird.
Die Sorge vor Versorgungsengpässen hat mehrmals zu erheblichen Preisspitzen geführt. An manchen Tagen wurden Preise von über 300 EUR/MWh am österreichischen Gashub CEGH VTP erreicht. Im Durchschnitt lag der Preis im Day-Ahead-Spothandel im Monat August bei 231 EUR/MWh. Im gleichen Handelszeitraum im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Preis für das Day-Ahead-Produkt noch bei 43 EUR/MWh und war daher um mehr als das fünffache niedriger als im aktuellen Jahr. Aktuell geben die Gaspreise im Spothandel wieder nach, liegen aber weiterhin auf äußerst hohem Niveau von über 180 EUR/MWh.
Angebotsseitig kam es in den letzten Monaten im Zusammenhang mit den Diversifizierungszielen für Gasimporte zu einer erheblichen Veränderung des europäischen Importgefüges. Der Anteil russischer Gaslieferungen an den gesamteuropäischen Gasimporten wurde mittlerweile auf unter 10% reduziert. Aufgrund des lukrativen Preisniveaus in Europa wurde deutlich mehr Flüssiggas (LNG) nach Europa importiert. Besonders LNG-Lieferungen aus den USA waren hierfür besonders relevant.
Im Terminhandel für Gas kam es in den letzten Monaten zu kontinuierlich ansteigenden Preisen, im August wurde der Year-Ahead-Kontrakt für 2023 bereits bei über 200 EUR/MWh gehandelt – zuletzt ergaben sich aber auch hier Entspannungstendenzen auf hohem Niveau.
Abb. 2: Großhandelspreise Gas; Quellen: Spot Index CEGHEDI (CEGH VTP), Gas-Futures (EEX); eigene Berechnung
Abb. 2: Großhandelspreise Gas; Quellen: Spot Index CEGHEDI (CEGH VTP), Gas-Futures (EEX); eigene Berechnung
Weitere Informationen zu den Großhandelspreisen finden sich auch auf unserer Website unter:
https://www.e-control.at/industrie/strom/strompreis/grosshandelspreise
https://www.e-control.at/industrie/gas/gaspreis/grosshandelspreise
[1] Im Bereich der Day-Ahead-Spotmarktpreise wurden Monatsmittelwerte errechnet. Jeder dargestellte Balken entspricht dem Durchschnittspreis von Strom- oder Gaslieferungen im jeweiligen Monat. In der monatlichen Aufbereitung lassen sich die typischen Saisonmuster nachvollziehen, zur besseren zeitlichen Vergleichbarkeit wurden darüber hinaus aber auch die Jahresmittelwerte der Spotmarktpreise dargestellt (durchgezogene Linien). Anhand der gepunkteten Linien sind schließlich die mittleren Terminmarktabschlüsse im jeweiligen Monat für Lieferungen im Folgejahr (Year-Ahead) ersichtlich. Liegen diese Terminmarktpreise dauerhaft über den Spotmarktpreisen, so wird im Großhandel davon ausgegangen, dass es im nächsten Jahr zu höheren Preisen kommt.