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Stromversorgungssicherheit von allen Seiten beleuchtet

Am 16. September fand ein Seminar „Stromversorgungssicherheit von allen Seiten beleuchtet" für Journalisten statt. Die Vorträge wurden von Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen gehalten, um möglichst viele Aspekte der Versorgungssicherheit abzudecken.

Zur Einleitung führte Gastgeber und E-Control Vorstand Alfons Haber aus, dass Österreich für einen Krisenfall im Energiebereich ausgesprochen gut vorbereitet sei. Dazu trügen zum einen etliche der Partner bei, die im späteren Verlauf des Seminars noch zu Wort kämen, aber natürlich hätte auch die die E-Control zentrale Funktionen und Aufgaben. Präventiv nannte Haber hier beispielsweise die fortlaufenden Monitoringaufgaben. Ein Beispiel hierfür sei das Versorgungssicherheits-Monitoring, zu dem ein jährlicher Bericht erstellt wird. Dabei werden Deckungsberechnungen für die österreichische Regelzone durchgeführt, Modellberechnungen bis 2030 erstellt und Zuverlässigkeitskennzahlen erhoben. Im Fall von Versorgungsengpässen, gemäß Energielenkungsgesetz, würde es als ultima ratio Lenkungsmaßnahmen geben, bei denen die E-Control auf Grundlage verschiedener Gesetze zentral eingebunden sei. Zur Krisenprävention und im Krisenfall sei die E-Control weiters in ein Netz von wesentlichen Akteuren in Österreich und auch international eingebunden und sie stimme sich laufend ab mit dem Bundesministerium, dem Energielenkungsbeirat, dem Krisenstab der Länder, den Übertragungsnetzbetreibern und Marktteilnehmern. 

Bernd Klöckl, Leiter des Bereichs „System Operation Analytics and Concepts“ des deutschen Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission GmbH erläuterte, dass die deutliche Veränderung des Energiemixes auf europäischer Ebene als Folge der Klimaziele zu großen Herausforderungen in Bereichen wie der Netzplanung, Engpassmanagement, Spannungshaltung und Systemwiederaufbau führt. Daher müsse den Systembetreibern, die Möglichkeit gegeben werden, sehr flexibel auf neue Rahmenbedingungen zu reagieren, um den stabilen Netzbetrieb und damit die stabile Versorgung der Endkundinnen und Endkunden zu gewährleisten. EU-weite Mechanismen, die von den Übertragungsnetzbetreibern geschaffen werden müssten, wären die Netzreserve, Kapazitätsreserve, Sicherheitsbereitschaft und besondere Netztechnische Betriebsmittel. Diese müssten infolge auch in den einzelnen Ländern umgesetzt werden. Die erforderlichen europäischen Systeme für Monitoring und eine Absicherung der Versorgungssicherheit bestünden bereits oder würden gerade aufgebaut.    

Gerhard Christiner, Vorstand des österreichischen Übertragungsnetzbetreibers APG, erklärte, dass im Rahmen des europäischen Stromhandels der Strom dorthin fließe, wohin er verkauft würde, was eine große Herausforderung für die Übertragungsnetzbetreiber sei. Da Polen und Tschechien physischen Übertragungskapazitäten limitiert hätten, flößen durch Österreich enorme Mengen an Strom, da sich Österreich geographisch in zentraler Position befände. Um Überlastungen zu vermeiden, müsse rechtzeitig entgegengesteuert werden. Auch die Entscheidung der Europäischen Kommission, dass bis 2026 70% der Kuppelleistungskapazitäten dem Markt zur Verfügung gestellt werden müssen, führe dazu, dass Netzkapazitäten geschaffen werden müssen, dass Netzreserve gebraucht werde und dass der Netzausbau massiv und vor allem zügig weitergehen müsse. Zusätzlich bedeute die Steigerung der Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien um 27 TWh rund eine Verdoppelung der installierten Leistung der Erneuerbaren Energien, was ebenso zu einem verstärkten Ausbau der Netze führen müsse. Die größte Herausforderung der Energiewende wäre es, zu managen, dass der Strom aus Erneuerbare Energien von Kundinnen und Kunden zu jedem Zeitpunkt genutzt werden könne.

Wolfgang Czerni von Infraprotect, einem spezialisierten Beratungsunternehmen für Risikoanalyse, Notfall- und Krisenmanagement, spezialisiert auf kritische Infrastruktur, erläuterte in diesem Zusammenhang das Thema „Cyber Security“ und stellte dazu eine aktuelle Risikoanalyse vor, die für den Bereich Energiewirtschaft durchgeführt wurde. Im Strom- und Gasbereich seien insg. 226 intentionale Angriffe, die auch technisch machbar erscheinen, identifiziert worden und daraus 71 gemeinsame Risiken herausgearbeitet worden. Es wurde dargelegt, wie diese Risiken zu erkennen seien, wie mit ihnen umzugehen sei und es seien Umsetzungshorizonte für technische Lösungen definiert worden. Hohe Risiken gäbe es durch die Einführung der neuen Technologien und durch die steigende Expertise der Angreifer. Kernbotschaften von Czernis Ausführungen waren, dass es eine 100%ige Sicherheit nicht gäbe, dass es sich um ein Wettrüsten zwischen Angreifer und Verteidiger handle, dass es wichtig sei, die „wirklich Wissenden“, also die im Energiebereich Tätigen mit wirklicher fachlicher Kompetenz als Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner zu gewinnen und dass es verstärkt nationalen und internationalen Informationsaustausch sowie Cyber Security-Übungen und Simulationen gäben müsse. 

Herwig Renner vom Institut für Elektrische Anlagen und Netze der Technischen Universität Graz, erklärte, dass nicht ein einzelnes Ereignis zu einem großflächigen Ausfall im Hochspannungsnetz führe, sondern dass dabei mehrere Faktoren zusammenkommen müssten. Möglich sei ein Ausfall, wenn es beispielsweise eine ohnehin starke Netzbelastung mit hohen Stromtransport gäbe, zudem wichtige Leitungen und wichtige Kraftwerke etwa wegen Revision nicht verfügbar wären und dann noch ein unvorhergesehenes Ereignis hinzukäme. Das könnte dann zum Beispiel ein technisches Gebrechen oder ein Sturmschaden sein. Schon dir Grundprämisse für ein solches Szenario sei allerdings vergleichsweise unwahrscheinlich, da die Netze zu großen Teilen redundant ausgelegt seien. In den letzten Jahren habe sich ein Bedrohungsszenario herausgestellt, das ein paar Mal aufgetreten sei, nämlich der System Split. Dabei teilt sich das große Netz in mehrere Teilnetze und es kommt in den Regionen zu Problemen, bei denen das Verhältnis von Erzeugung und Verbrauch nicht ausgeglichen ist. Gründe dafür können sein, dass Erzeugungsschwerpunkte nicht verbrauchernah liegen oder marktwirtschaftliche Gründe zu hohen Stromtransporten führen. Ein paar Beispiele hierfür finden sich in den letzten Jahren: 2003 gab es in Italien einen großflächigen Stromausfall. 2006 kam es zu einer Trennung der Netze von Ost- und Westeuropa, ein Netzzusammenbruch konnte jedoch vermieden werden. Und im Jänner 2021 gab es einen Störfall, als das Netz von Süd-Osteuropa vom Netz von Nord-Westeuropa getrennt wurde. Auch damals konnte ein Netzzusammenbruch erfolgreich verhindert werden. 

Eva Hennig, die Leiterin Energiepolitik Europa beim Stadtwerkeverbund Thüga, der mit rund 100 Stadtwerken das größte Netzwerk kommunaler Dienstleister in Deutschland unterhält , hielt ein Plädoyer dafür, Versorgungssicherheit Grenz- und Energieträgerübergreifend zu denken. Bei einer Umstellung auf 100 % Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien werde der Ausgleich zwischen Erzeugungs- und Verbrauchszeitpunkt elementar. Um das zu bewerkstelligen und um für Krisenfälle vorbereitet zu sein, müsse man so viel Flexibilitäten wie möglich haben und dazu zählten auch Gaskraftwerke. Zudem könne das Gasnetz eine riesige Energiemenge nicht nur transportieren sondern speichern. Die Dekarbonisierung der Gasnetze mit Wasserstoff und Biomethan eröffne einen großen Raum für Technologien und sei ein Grundpfeiler der zukünftigen Versorgungssicherheit. Um die Industrie zu dekarbonisieren, müsse das Gasnetz dekarbonisiert werden. Eine Umstellung der Verteilnetze auf 100% Wasserstoff wäre in Österreich und Deutschland vergleichsweise schnell möglich. Momentan werde an neuen Technologien geforscht, um Wasserstoff günstig produzieren und verwenden zu können. Vorteil wäre, dass diese Netze und Speicher sehr flexibel einsetzbar wären. Die Nutzung bestehender Strukturen wäre die Grundlage, dass die Energieversorgung der Zukunft sichergestellt werden könne.

Die Präsentationsunterlagen der Vortragenden finden Sie hier.
Ganz aktuell haben wir ein neues kurzes Video zur sicheren Versorgung mit Strom: www.e-control.at/erklarfilme